Das Anschreiben

Das Anschreiben verliert immer mehr an Bedeutung – zumindest erscheint dies auf den ersten Blick so. Die Qualifikationen und die berufliche Laufbahn des Bewerbers haben absolute Priorität. Es ist eine empirisch gesicherte Erkenntnis, dass von der überwältigenden Mehrheit der Personalentscheider zuerst der Lebenslauf gelesen wird. Ist im Leistungsprofil des Bewerbers nicht die verlangte Eignung erkennbar, wird das Anschreiben keines Blicks mehr gewürdigt. Wozu auch?! 

Oft genug schon wird kein Anschreiben mehr verlangt. CV- oder Resumee-Parsing. One-Click Bewerbung. Bewerberhomepage. Mobile Recruiting. Social Recruiting. Speed Recruiting. Active Sourcing. Recruiting Chatbots. SEO-Recruiting. Recruiting Marketing. … Bei all den Möglichkeiten der Bewerbung 4.0 und der Vielfalt der Recruiter-Strategien bleibt das in einem Lebenslauf aufgearbeitete Leistungsprofil zentrales Element jeder Bewerbung.


Alter Wein in neuen Schläuchen

Doch wenn der Check der Hardskills des Bewerbers die Erwartungen des Unternehmens erfüllt, wird das Anschreiben häufig genug noch nachgefordert. Oder die Abfrage eines Anschreibens erfolgt durch die Hintertür. In Online-Formularen etwa begegnen Bewerbern Fragen wie ‚Über mich‘, ‚Was mich auszeichnet‘, ‚Meine Ziele‘, ‚Was ich mitbringe‘, ‚Was mich besonders macht‘, ‚Meine Antreiber‘ oder ‚Wonach ich suche‘.

Das sind doch genau die in einem Anschreiben zu beantworteten Fragen, nicht wahr?! Damit tritt Bewerbern das so unbeliebte Anschreiben in einem neuen bunten Gewand entgegen – und fordert m.E. ein Anschreiben-Können at it’s best! 500 Zeichen für Ihre Beweggründe: Bitteschön!

Aus dem Online-Bewerbungsformular auf der Website eines der größten deutschen Logistikdienstleistungsunternehmen:

Von wegen Bedeutungsverlust des Anschreibens. Bei den unsere Wirtschaft prägenden kleineren und mittelständischen Unternehmen verleiht das Anschreiben dem Lebenslauf noch immer eine Stimme und gibt ihm ein Gesicht. Bewerber können bei ihren Lesern mit Berufung, Begeisterung und leidenschaftlichem Engagement punkten und ein gutes Bewerbungsanschreiben kann auch bei Quereinsteigern zu einer Einladung zum Vorstellungsgespräch führen. Damit treffen für das Anschreiben noch immer so obsolet klingende Charakterisierungen wie Brückenschlag oder Schlüssel zum Vorstellungsgespräch unbedingt zu.

Die bekannte Form des Anschreibens gewinnt an Variantenreichtum. Das direkt an den Meister in einem Handwerksbetrieb adressierte Bewerbungsschreiben hat ein anderes Gesicht als das ‚Anschreiben‘ an einen Globalplayer im IT- oder Marketing-Bereich – bei unverändert zu erfüllender Funktion, wenngleich je nach Art des Auswahlverfahrens zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt im Prozess.


Tipps für Ihr Anschreiben

Lassen Sie Floskeln, Wort- und Satzhülsen, Allgemeinplätze, Null-Meldungen und plakative Aussagen einfach weg. Stattdessen könnte die Parole lauten: Zeigen Sie sich! Schreiben Sie in einem der geschäftlichen Korrespondenz angemessenen Stil was Sie bewegt und antreibt, vermitteln Sie Ihre Ziele und Wünsche, äußern Sie, was Sie erhoffen und erwarten. Warum formulieren Sie nicht einfach mal Ihre Leidenschaft und Liebe zu den kommenden Aufgaben und Herausforderungen – und zwar so, dass dem Unternehmen Ihr Mehrwert nicht verborgen bleiben kann. Sprechen Sie doch auch ruhig selbstbewusst an, dass Ihnen zu einem der im Anforderungsprofil genannten Punkte noch die gewünschte Erfahrung fehlt.


No-Gos im Anschreiben | Noch häufig gelehrt

Intro
„Mit großem Interesse habe ich Ihre Anzeige gelesen und bewerbe mich hiermit auf die angebotene Stelle.“ Die ist überhaupt die beste Möglichkeit, die Leser zum Gähnen zu bringen und bei ihnen schier unüberwindliche Vorbehalte gegen den Absender ins Kraut schießen zu lassen.

Hauptteil
Die im Lebenslauf aufgeführten Stationen werden zusammengefasst. Und dann habe ich .. und dann … Die sind dem Leser schon vom Lebenslauf her bekannt und bieten nichts an neuen Einsichten über den Bewerber.

Schluss
„Über eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch würde ich mich sehr freuen.“ Na, wie ist das? Ja genau, das ist schon schlimm. Doch es geht noch besser, sich als unsicheren und verzagten Kandidaten zu profilieren. Nutzen Sie dazu doch ganz einfach den doppelten Konjunktiv: „Ich wäre glücklich, würden Sie mich zum Vorstellungsgespräch einladen.“